Macht der Club2 impotent?

Diese Frage ist ungefähr genauso sinnvoll, wie jene, die für den Club2 für heute geplant war "Macht das Internet dumm?". Schon die Frage enthält den verallgemeinernden Kardinalfehler, der dieser Diskussion immer anhaftet und in 99% der Fälle von klassischen Medien oder deren Proponenten angestoßen wird, die immer noch nicht verstanden haben, worum es im Web2.0 geht. Frank Schirrmacher seines Zeichens analoger Publizist, der am liebsten die guten alten Zeiten zurück hätte, als JournalistInnen noch unsere Gatekeeper für Informationen waren und sich auf dieser Monopolstellung ausruhen konnten, hat also einen Bestseller gegen das Internet geschrieben und befindet sich gerade auf Lesereise in Österreich. Ebenfalls ganz klassisch nimmt der ORF die Anregung - vielleicht von Schirrmachers Agentur - auf und macht quasi extra für sein Buch einen Club2, der übrigens mittlerweile wegen der Griechenland-Krise abgesagt wurde. Der Umstand, dass sich wieder einmal etablierte Medien und Publizisten selbst pushen spricht allein schon Bände, denn genau gegen solche Verhältnisse richten sich auch Social Networks, weil dort eben jeder Sender sein kann, jeder publizieren kann und KonsumentInnen und ZuseherInnen endlich zurückreden können. Die ewige öde Debatte, die immer rund um das Thema Realität versus Virtuellen Raum geführt wird, verhält sich im Wahrheit genau umgekehrt. Jahrzehnte lang haben uns Medien und JournalistInnen ihr eigene kleine virtuelle Szene als Realität verkauft und wir mussten es glauben. Wir mussten die gemainstreamten Inhalte von gespinndokterten PolitikerInnen schlucken, wir mussten uns gedopte Sportler als Stars vorkaufen lassen und wir mussten uns sogar vom literarischen Quartett diktieren lassen, welche Bücher lesenswert sind und welche nicht. Wer nur einen Tag lang die Aussendungen von Unternehmen und politischen Parteien auf ots.at verfolgt, wird erschreckt feststellen, wie formal und abgehoben die Kommunikation mit und von Medien geworden ist und wie weit sich diese bereits von der Realität entfernt hat. Irgendwann haben die Menschen allerdings bemerkt, dass das nicht mehr ihre Welt ist und nicht mehr ihre Sprache ist, die da gesprochen wird. Genau daraus entstanden Bewegungen wie die Grünen Vorwahlen, unibrennt oder musste Nestle vor kurzem schwere Schläge durch eine ihr unbekannte Community einstecken. Und eines ist dabei fix, nämlich dass das erst der Anfang ist. "Oh Fuck, the Internet is here" wird wahrscheinlich noch öfter in den Schreibstuben und den Kanzleien zu hören sein. Medien und JournalistInnen reagieren verstört oder verärgert auf diese Entwicklungen. Dabei erinnere ich nur an Herrn Remy von Matt oder Wolfgang Lorenz, die ihre große Hilflosigkeit gegenüber dem, was sie als Internet bezeichnen, nur noch mit Beschimpfungen ausdrücken konnten, was wiederum fast schon ein sympathischer Zug ist und durchaus ein tauglicher Initiationsritus für die Aufnahme als Teil des vom Internet hervorgebrachten Kulturerbes wäre. Mich wundert ja, dass nicht auch Armin Thurnher als Gast für den Club2 vorgesehen war, er hätte mit seiner besitzstandswahrenden Haltung sehr gut in die Runde gepasst. Schade ist letztlich, dass der Club2 ein solches Thema auf diese Art und Weise behandelt und professionellen Kulturpessimisten eine weitere Absatzmöglichkeit für ihre besitzstandswahrenden Bücher gibt. Wer mir nicht glaubt, dass eine solche Diskussion absolut überflüssig und außer der Geldbörse von Herrn Schirrmacher niemanden nützt, dem empfehle ich den Vortrag des Hirnforschers Peter Kruse auf der heurigen re:publica, den ich hier eingebettet habe. [youtube]http://www.youtube.com/watch?v=DNbD3bCijS4[/youtube] [youtube]http://www.youtube.com/watch?v=-Jo7nUbUow8[/youtube] [youtube]http://www.youtube.com/watch?v=Z7sWUcAn8JI[/youtube]
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