Ich kann Vizekanzler oder Der Superpraktikant

Vor längerer Zeit habe ich über das meiner Meinung nach gelungene ZDF Format "Ich kann Kanzler" geschrieben. Ich finde es positiv, wenn Castingshows einmal nicht nur der nächsten histerionischen Persönlichkeit einen C-Promi Status verschaffen, ausgehungerte Teenager am Laufsteg zeigen, übergewichtige Menschen beim Abnehmen vorführen oder die schwersten Sozialfälle beim Stehlen eines Kinderwagens filmen. Gerade die Politik hätte eine Imagepolitur dringend nötig und mit Castingshows wäre es möglich, dazu vielleicht ein bisschen beizutragen. Damit werden natürlich nur Symptome bekämpft, denn ein Beruf wird nicht attraktiver, nur weil man die Kommunikation darüber verbessert. Ein Irrglaube, dem die Politik leider zu oft unterliegt, so lautet ja der Standardsatz nach verlorenen Wahlen, dass man die Kommunikation verbessern müsse oder das Profil schärfen. Ich kann Kanzler stand wohl auch Pate bei Josef Prölls Aktion, einen Praktikanten für sich zu casten. Allerdings konzentrierte sich "Ich kann Kanzler" zumindest vordergründig auch auf die Inhalte der Kandidaten.Inhalte scheinen allerdings beim Superpraktikanten keine Rolle zu spielen. Einfach ein Foto oder Video hochladen und online Stimmen sammeln reicht. Der problematischste Punkt scheint mir aber zu sein, wie Politik dort dargestellt wird. Zwei Highlights der Praktikantenwoche sind ein gemeinsamer Besuch des Jägerballs und einer Sportveranstaltung. Da stellt sich schon die Frage, ob man das als Politik verkaufen möchte, oder ob unsere Politiker mittlerweile wirklich der Meinung sind, das sei Politik. Beides ist gleichermaßen furchterregend.Dass dabei der Showfaktor eine nicht unwesentliche Rolle gespielt haben dürfte, zeigt auch, dass die erste Ankündigung des Castings nicht in einer Nachrichtensendung oder einem Politikmagazin erfolgte, sondern bei Dominic Heinzl in High Society. Man kann ja von Heinzl und High Society halten, was man will, aber als intellektuelles Format für die politisch interessierte Nachwuchselite ist es mit bisher noch nicht aufgefallen.
Der Superpraktikant auf ATV.at Ebenfalls problematisch ist der Titel in Verbindung damit, dass der potentielle Superpraktikant kein Gehalt erhalten wird. Die vielzitierte Generation Praktikum scheint also auch schon im Kanzleramt in der Form billiger Arbeitskräfte angekommen zu sein. Dass man sich noch zusätzlich weigert auch nur irgendwie zu gendern und im Werbespot sogar die Kandidatin beharrlich Superpraktikant nennt, ist nur ein Detail am Rande. Klar war jedenfalls, dass die Aktion das kreative Potenzial von vielen Menschen anregen wird, auch wenn diese nicht unbedingt Fans von Josef Pröll und der ÖVP sind. So ist derzeit die Falter Journalistin Barbara Toth an der Spitze der Praktikanten Charts, dicht gefolgt von Fake-Account Predro Beararro und Atheismus-Freak Niko Alm. Mein persönlicher Favorit ist aber der Wirschaftsflüchtling Thomas R. Koll, allerdings hoffe ich noch auf einen Kandidatur von Klaus Werner-Lobo, der wäre meiner Meiung nach genau der Richtige, um mit Josef Pröll den Jägerball zu besuchen. Letztlich stellt sich die Frage, kann die ÖVP aus der recht intensiven Rezeption via Twitter und Facebook irgendeinen Nutzen ziehen? Meiner Meinung nach schon und zwar dann, wenn man sich jetzt nicht verkrampft zurückzieht und auch die Spaßkandidaten bzw. auch jene, die vielleicht und durchaus zu recht provozieren möchten, im Rennen belässt und mit jenen, die sich mit dem Format Superpraktikant auseinandersetzen, den Dialog aufnimmt.
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