Falter goes Krone Bunt

meerschweinchenAuf eines konnte man sich beim Falter immer verlassen. Er war immun gegen alles, was auch nur im entferntesten nach Boulevard im Allgemeinen und Krone im Speziellen roch. Armin Thurnher gab schon seit jeher mit seinem wöchentlichen Schlusssatz in seiner Kolumne den Prediger der hohen Medienethik. Erste Risse bekam dieser hehre Anstrich bereits mit seinem offensichtlichen Unvermögen, sich mit dem Netz konstruktiv und objektiv auseinanderzusetzen. "Warum ich das Internet nicht ernst nehmen kann" war der Titel einer seiner Kolumnen und offenbarte vor allem eines: Unwissenheit des Autors. Das Netz macht eben Schluss mit den Gatekeepern, die bisher den Schlüssel zur Information in ihren Händen hielten und nun drauf und dran sind, ihr Informationsmonopol zu verlieren. Dabei waren es Gatekeeper wie die US-amerikanischen Medien, die den Amerikanern und der Welt objektive Informationen vorenthielten und sich zur Propagandamaschinierie der Bush-Regierung herabstufen ließen. Auch dadurch entstand so etwas wie die Huffington Post. Auch in der aktuellen Finanz- bzw. Wirtschaftskrise spielten Gatekeeper in der Form von Rating Agenturen eine nicht unwichtige Rolle, deren Autorität nie angezweifelt wurde, auch nicht von der unabhängigen freien Presse. Wahrscheinlich liegt die Abneigung des Falter-Chefredakteurs gegen das Netz daran, dass Gatekeeper wie zum Beispiel Brockhaus oder die Enzyklopedia Britannica bereits das zeitliche gesegnet haben. Ob da allerdings Ignoranz das beste Mittel ist, dagegen anzukämpfen, wage ich zu bezweifeln. Im aktuellen Falter liefert Armin Thurnher wieder einen starken Beweiß für seinen Glauben an die Gatekeeper, die auf toten Bäumen schreiben. Durch ein dreispaltiges Zitat aus einem Essay aus der Zeit, möchte er beweisen, wie eitel und undemokratisch das Web2.0 doch sei. Nur brauchen wir Armin Thurnher, um zu wissen, dass es bei jeder neuen oder anderen Kommunikationsform Gewinner und Verlierer gibt? Dass das Web nicht per se demokratisch ist, sondern sich lediglich dazu eignet die demokratische Meinungsbildung zu fördern? Armin Thurnher wähnt sich und den Falter offenbar auf der Seite der Verlierer, nicht anders ist seine undifferenzierte Haltung zu erklären. Schade ist es aber, dass sich dieses objektive Unvermögen jetzt auf die grundlegenden journalistischen Tugenden des Falter auswirkt. In der aktuellen Ausgabe veröffentlicht der Falter ein sechsseitiges Interview, dass eine Journalistin der Kronen Zeitung mit Julius Meinl V geführt hat. Übrigens mit so knallharten Fragen wie:
War es eigentlich naiv, sich auf windige Shareholder einzulassen? Waren Sie der Coolste? Was war eigentlich Ihr erstes Auto?
Da kriegt man es richtig mit der Angst zu tun, wenn so eine gnadenlose Interviewerin auf einen Tee serviert nach britischer Art vorbei schaut. Ein Interview auf Krone Bunt Niveau von einer Krone Bunt Journalistin. Aber warum zum Henker erscheint so ein Interview im Falter und senkt damit dessen Qualität im ein paar Klassen? Wie es zum Abdruck des Interviews kam, erfährt man vielleicht in der Wiener Zeitung, wobei es mir persönlich einen kalten schauer über den Rücken jagt bei dem Gedanken daran, dass ausgerechnet News und Österreich den Abdruck dieses Interviews abgelehnt haben sollen. Interessant dabei ist vor allem, dass sich Thurnher in seinem Leitartikel dann auch genau auf dieses exklusivitätsgeile fellnersche Niveau begibt und den Abdruck dieses Dokuments, wie er es andererseits verschämt nennt, abfeiert, als wäre es ein Meilenstein des österreichischen Journalismus. Es wird also spannend in welche Richtung es geht beim Falter. Der alte griesgrämige Falter mit der unterirdisch schlechten Webpräsenz und den tollen Reportagen, Leitartikeln und Kommentaren hat mir jedenfalls besser gefallen als der neue Webignorante Boulevard-Falter. Das obige Werk ist übrigens ein Aufragswerk des Falter Zeichner Bernd Püribauer (Tier der Woche) zur aktuellen Debatte über Meerschweinschenjournalismus!-)
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