ATV Am Punkt

In der österreichischen Medienlandschaft geht's derzeit rund. Während Dominic Heinzl ATV verlässt, um beim ORF die Infoschiene zu verstärken und Armin Wolf ebenfalls eine Pause von der Anstalt nimmt, langweilt sich und uns Ingrid Thurnher mit Sommergesprächen. Zugegeben ich sehe Dominic Heinzl und High Society gern, weil er es eben beherrscht, nicht so bierernst wie das konkurrierende Format auf ORF die Szene auf witzige Art vorzuführen. Es bleibt natürlich Unterhaltung und wie der ORF auf die Idee kommt, Society-Berichte von Heinzl fielen unter Information, bleibt ein Rätsel. Wahrscheinlich wird demnächst Dancing Stars zur Fortbildung und Alltagsgeschichten zur Reportage (Sorry, das tut der ORF ja wirklich) gezählt. Ein Blick auf die Diskussionssendungen im ORF zeigt, dass irgendwas nicht ganz so klappt im Reich des Bären Elmar. Die Sommergespräche habe ich an dieser Stelle schon einmal kritisiert und es wäre schade um jedes weitere Wort dazu. Die Sendung im Haas-Haus, deren Name immer wieder wechselt, ist vor allem geprägt durch die Parteisekretariate. Der ORF fühlt sich offensichtlich dazu verpflichtet immer die selben Gesichter streng nach Proporzregeln einzuladen und langweilt damit wiederum die wenigen Zuseher. Einzig der Club 2 bleibt zumindest ein intellektuelles Flaggschiff, wenn Milborn oder Köhlmeier moderieren. Auch ATV wurde an dieser Stelle schon mal in Sachen Sozialpornografie kritisiert, freilich nicht ohne Widerrede aus der ATV Redaktion selbst, was zu einer spannenden Diskussion führte. Für mich bleiben aber Sendungen wie "Bauer sucht Frau", "Du bist, was du isst" oder "Tennager werden Eltern" äußerst grenzwertig. Aber während es beim ORF ständig abwärts geht, geht es bei ATV aufwärts Richtung Qualität. Ein erster Schritt war die wöchentliche Kultursendung mit Erna Cuesta und Franz Zoglauer, die zwar noch Verbesserungspotenzial nach oben hat, aber sich jedenfalls schon mit der täglichen ORF Jubelkulturberichterstattung messen kann. Ein Vergleich mit Kulturzeit auf 3Sat wäre auch unfair.

Interview mit Sylvia Saringer from ritchie pettauer on Vimeo.

Nächster Schritt bei ATV ist eine wöchentliche Diskussionssendung namens Am Punkt moderiert von Sylvia Saringer. Dort hat man die Schwäche des ORF erkannt und der Abgang von Armin Wolf kommt der neuen Sendung bestimmt ebenfalls zu gute. Am Punkt folgt einem sehr einfachen Konzept. Vier DiskutantInnen bestreiten den Abend, wobei auch Input von außen kommen kann. Dazu hat ATV unter fachgerechter Beratung von Judith Denkmayr einen eigenen Blog und einen Twitteraccount eingerichtet. Während der Sendung haben die Zuseher die Möglichkeit, sich aktiv via Twitter oder der guten alten Email einzubringen. Ausgewählte Fragen werden von der Redaktion an die Moderatorin weitergegeben und noch in der Sendung gestellt. Vor der Sendung hat jeder Zuseher auch die Möglichkeit, via Videoupload seine Frage zu stellen. Das Medium Fernsehen bringt es mit sich, dass solcherart gestellte Fragen eher zum Zug kommen werden. Dieses Prinzip wurde auch schon bei der Sendung zur Nationalratswahl ATV Meine Wahl relativ erfolgreich erprobt, wobei damals ATV Reporter durch Österreich fuhren und die Leute vor Ort aufgenommen haben. Ob der Zuspruch via Uploads ebenfalls so hoch sein wird, wage ich zu bezweifeln. Eine weitere Innovation bei der Sendung Am Punkt ist der Analyseraum, wo JournalistInnen und BloggerInnen gemeinsam die Sendung verfolgen können. Vorher wird einer dieser "AnalystInnen" ausgewählt, um schon während der Sendung und am Ende seine Bemerkungen von außen einzubringen. Das ist zugegebenermaßen manchmal ein bisschen unfair gegenüber den DiskussionsteilnehmerInnen, wenn diese aus dem Off kritisiert werden, allerdings haben uns gerade unsere PolitikerInnen in Sachen Diskussionskultur und Gesprächsverweigerung ohnehin schon einiges zugemutet, sodass ich mir gerade davon einiges erwarte. Ich selbst konnte einer Probesendung zum Thema Arbeitserlaubnis für AsylwerberInnen beiwohnen und war vor allem vom relativ konstruktiven Diskussionsklima überrascht. Was ich aber eher darauf zurückführe, dass die DiskutantInnen eher aus der dritten Reihe kamen und vielleicht noch nicht so gut rhetorisch oder NLP-geschult sind. In den echten Sendungen wird es jedenfalls um einiges schwieriger werden, die politischen Schwergewichte zu zähmen und abseits von Floskeln und Politsprech zur Diskussion zu bewegen. Anschließend hatte ich die Gelegenheit mit Alex Millecker, dem Chefredakteur von ATV, Sylvia Saringer und Judith Denkmayr über die Sendung zu sprechen. Interessanterweise verneinte Millecker die Frage nach einer Quotenvorgabe, da dem Sender noch an Erfahrung mit einem solchen Format fehle. Das macht es natürlich schwierig auch von außen zu beurteilen, wann die Sendung ein Erfolg war, wobei mir persönlich egal wäre, ob das jetzt eine hohe Quote hat oder nicht, die Werbekunden werden das aber wohl etwas anders sehen. ATV Am Punkt wird also nicht das Rad neu erfinden und nicht die innovativste Sendung der Welt sein, hat aber eine Menge gute neuer Elemente implementiert und stößt mit der Sendung in eine große Lücke, die der ORF offen gelassen hat. Gar nicht so unwahrscheinlich, dass die Lücke jetzt gefüllt wird. Anmerkung. Das eingebettete Video ist nicht von mir, sondern hat Kollege Ritchie Pettauer aka datadirt geführt, passt aber sehr gut dazu.
Published:
  • tags:
blog comments powered by Disqus