Der Fail-Safe Präsident

Irgendwann muss man ja mal wieder mit dem Bloggen beginnen, und warum soll es nicht gerade heute sein. Mir fehlte die Energie, immer wieder über den selben Schwachsinn zu schreiben, ohne den Eindruck einer Chance, dass sich auch nur eine Kleinigkeit ändern könnte. Die Chance ist immer noch nicht da, ich glaube nicht mehr daran, dass sich das politische System in Österreich und in Europa selbst reformieren wird, diese Veränderung muss von außen appliziert werden. Meine Motivation zu bloggen, ist trotzdem wieder da, keine Ahnung warum, ist ja auch egal. Und weil es eh egal ist, kann ich auch gleich über die Wahl zum überbewertetsten Amt Österreichs schreiben.

Für mich ist in diesem Wahlkampf nicht relevant wer die besseren Plakate hat, wer vergessen hat, sich irgendeine Domain zu reservieren oder wer ein unfassbar ungeschicktes Video von sich gepostet hat. Wir begeben uns mit solcher Kritik auf das Niveau unserer PolitikerInnen, indem wir die Form über den Inhalt stellen und Punkte für professionelle Kommunikation vergeben, während wir uns gleichzeitig darüber beschweren, dass PolitikerInnen keine konkreten Aussagen mehr treffen. Wir drängen damit Rudi Hundstorfer zu Photoshop und VdB zur dringenden Frage nach seinem Frühstücksgetränk. Unsere Verfassung gibt der/dem BundespräsidentIn nicht viele Möglichkeiten. Meiner Meinung nach ist UHBP (oder UFBP) so eine Art Fail-Safe Einrichtung der österreichischen Politik und zwar für zwei Aufgaben: Erstens als Oberbefehlshaber des Bundesheeres und zweitens bei der Angelobung der Regierung. Alle anderen Funktionen wie die Verleihung von Orden, Staatsbesuche und Begnadigungen halte ich für kaum relevant und würde wohl - ausgenommen Richard Lugner - jedeR KandidatIn gut handhaben.

Beim Oberbefehl stellt sich die Frage, ob den die/der BundespräsidentIn tatsächlich hat. Ich gehe aber davon aus, dass kein militärischer Einsatz gegen den expliziten Willen der/des BundespräsidentIn durchgeführt werden könnte. Dabei geht es jetzt gar nicht um Kriegserklärungen, sondern um den Einsatz des Heeres im Inland und an unseren Grenzen. Beides Vorgänge, die demokratiepolitisch problematisch sind. Ein Bewusstsein für diese Problematik orte ich nur bei Van der Bellen und unter Umständen bei Griss. Khol sollte es eigentlich wissen, ist aber zu sehr Realpolitiker als dass er sich darum scheren würde. Von Hundstorfer ist mir dazu keine Meinung bekannt, Lugner und Hofer würden wohl am liebsten gar keinen Unterschied zwischen Polizei und Heer machen.

Bei der Angelobung einer Bundesregierung geht es für mich einzig um die Frage, wer würde versuchen eine Regierung mit FPÖ-Beteiligung mit allen Mitteln zu verhindern versuchen. 2000 war ich ein Befürworter von schwarz/blau, weil ich dachte, dass nur eine Mehrheit abseits einer großen Koalition große Reformen angehen würde. Das Ergebnis war ernüchternd, ich bin einer gewissenlosen Betrügerbande aufgesessen, die noch schamloser in die Töpfe griff, als rot/schwarz das jemals getan haben. Das Kalkül, dass eine FPÖ in der Regierung “gezähmt” werden könnte, ging nicht auf. Stattdessen haben wir heute mit der ÖVP eine zutiefst korrupte Partei, die einen menschenrechtsfeindlichen Kurs verfolgt, der der Haider-FPÖ der 90er zu radikal gewesen wäre, und mit der SPÖ eine Partei, die sich der Illusion hingibt, sie könnte Macht durch Inserate erhalten und inhlatlich nur mit Forderungen nach Grenzkontrollen und einer burgenländischen Bürgerwehr auffällt.

Warum eine Beteiligung der FPÖ an einer Regierung trotzdem schlecht wäre, wenn doch SPÖ und ÖVP doch ohnehin schon ihre Politik machen, ist leicht erklärt. Es fehlt den ehemaligen Großparteien mittlerweile nicht nur der Wille, sondern auch das intellektuelle Potenzial eine FPÖ in der Regierung in Zaum zu halten. Und trotzdem bleibt die Hoffnung, dass es in den ehemaligen Großparteien zumindest ein Häufchen Restvernunft gibt, dass aber in einer FPÖ-Koalition schlicht gekillt werden würde. Ein Blick nach Ungarn genügt, um zu sehen, um wie viel es schlimmer werden könnte.

Sehen wir uns also die KandidatInnen im Einzelnen an:

###Richard Lugner Ich mag Richard Lugner - irgendwie. Seine spitzbübische Art und wie er seit Jahrzehnten die Opernballgesellschaft vorführt, wie das keine Demo je konnte, machen ihn für mich sympathisch. Freilich ohne, dass ich das Bedürfnis hätte, ihn näher kennen lernen zu wollen. Privat oder als Bundespräsident wäre der Mann wohl unerträglich. Er soll einfach beim Opernball und auf ATV bleiben.

###Norbert Hofer Ein extremer Rechtsausleger, der Chemtrails für möglich hält und von Invasoren spricht, nur deswegen ein wenig wählbarer als Lugner, weil er berechenbarer wäre.

###Andreas Khol Bis vor der Wahl hielt ich Andreas Khol für einen respektablen Mann, aber seit seiner Nominierung scheint er nur noch die vermeintliche Rettung des Abendlandes und “unserer” Werte im Kopf zu haben. Dabei wäre eine grundlegende Diskussion darüber, was “uns” ausmacht und vereint, durchaus sinnvoll, nur Andreas Khol führt sie nicht. Er beschränkt sich auf einen fast wehleidigen Abwehrkampf wogegen auch immer.

###Rudolf Hundstorfer Hundstorfers Kandidatur ist so farb- und fleischlos, dass es sich nicht lohnt, mehr als einen Satz darüber zu schreiben.

###Irmgard Griss Zwei Dinge machen Irmgard Griss besonders interessant. Sie ist eine Frau und sie ist die einzige unabhängige Kandidatin. Das mit der Frau ist vor allem deswegen interessant, weil man damit Grüne und vor allem Rote Quotenfreunde ärgern kann. Ich finde es immer wieder lustig, wenn mir flammende FeministInnen jetzt erklären, warum man gerade diesmal doch wieder keine Frau wählen kann. Klingt für mich wie die Sozialistische Jugend, die kurz vor einer Wahl dann doch eine Wahlempfehlung für die SPÖ abgibt. Warum ich Irmgard Griss trotzdem nicht wähle? Weil sie meiner Meinung nach einer FPÖ-Regierungsbeteiligung nicht besonders viel entgegensetzen würde.

###Alexander van der Bellen Ich mag VdB nicht besonders. Ich halte seinen Umgang mit den Vorzugsstimmen, die er bei der vorletzten Wiener Landtagswahl bekommen hat, für äußerst arrogant. Ich halte sein darauffolgendes Engagement als Uni-Beauftragter der Stadt Wien für eine Augenauswischerei auf Kosten der SteuerzahlerInnen. Und letztlich ist seine Kandidatur als “unabhängiger” Kandidat der Grünen nicht nur eine WählerInnenverarschung, sondern auch eine Aushebelung der innerparteilichen Demokratie der Grünen. Meine Stimme kriegt er trotzdem. Weder muss ich einen Kandidaten mögen, noch muss er perfekt sein, um ihn wählen zu können. In seinen Jahrzehnten in der Politik hat VdB vielleicht den einen oder anderen schmutzigen Trick zu viel gelernt, aber summa summarum ist er ein respektabler Politiker, der in den Grundsatzfragen - also Menschenrechte, Gleichberechtigung, Gewaltentrennung, Demokratie - über jeden Verdacht erhaben ist. Die eingangs erwähnte Fail-Safe Funktion wäre bei VdB in besten Händen, sowohl was das Bundesheer betrifft als auch die Regierungsbildung. Deswegen kriegt er meine Stimme.

Europa und Österreich steht vor großen politischen Veränderungen. Viele werden nicht zu unserem besten sein. Die anstehende Wahl könnte ein Wechselbad der Gefühle werden. Einerseits könnte erstmals ein freiheitlicher in die Stichwahl kommen und andererseits könnten wir das erste grüne, direkt gewählte Staatsoberhaupt bekommen. Von mir aus auch beides:)

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