Diesmal GRÜN

Wie bei der letzten Nationalratswahl habe ich mich auch diesmal schon recht früh entschieden. Das ist einfach für meine persönliche Psychohygiene besser, ich muss dann nicht jeder Idiotie, die ein Wahlkampf so mit sich bringt, große Bedeutung zumessen und bin in der Wahlkabine entspannter. Dadurch fällt es auch mir auch leichter, eine Partei auf Grund ihrer langfristigen Performance zu beurteilen, an Stelle der letzten Aussagen in der Pressestunde, die nach der Wahl ohnehin Schall und Rauch sind.

##THE UGLY

Rekos, EU-Stop, BZÖ, FPÖ sind die Ungustln dieser Wahl und nicht wert sich weiter damit zu beschäftigen.

##THE BAD

###Piraten

Schade drum, aber mit den Kommunisten zu packeln, das geht gar nicht. Da können sie mir zehnmal mit ihrem tollen Programm kommen, links- und rechtsextreme sollte man einfach nicht anstreifen. Bye, bye.

###Nicht OK, ÖVP

Manchmal komme ich die Versuchung zu denken, Othmar Karas und die ÖVP wären eh ok und irgendwie wählbar. Zum Glück habe ich vor allem für mich selbst festgehalten, warum dem nicht so ist. Einmal abgesehen davon kann man sich in Sachen Netzpolitik, bürgerliche Grundfreiheiten und Demokratie 100% darauf verlassen, dass die ÖVP immer auf der falschen Seite ist. So zu letzt Paul Rübig, der mit Verve die Rechte der Konzerne auf Vorfahrt im Internet verteidigte und erfolglos gegen die Netzneutralität kampagnisierte. Als es um ACTA ging haben sich zum Beispiel alle ÖVP Abgeordneten enthalten an statt dagegen zu stimmen und in Sachen Vorratsdatendatenspeicherung ist die ÖVP immer eine große Befürworterin. Othmar Karas ist ganz bestimmt ein glühender Europäer und ein netter Kerl, leider hat er andere Vorstellung eines grenzenlosen Europas als ich.

###SPÖ

Was macht die SPÖ in der EU, sie fremdelt. Mit einem Bundeskanzler, der die EU vor allem als Ausrede für unangenehme Innenpolitische Maßnahmen missbraucht, kann das auch nix werden. Wie bei der ÖVP darf man nicht vergessen das zb Hannes Swoboda, der derzeitige SPÖ-Delegationsleiter im EU-Parlament, ebenfalls für die Vorratsdatenspeicherung gestimmt hat. Es gäbe nur einen Grund, die SPÖ zu wählen, nämlich Martin Schulz. Nicht, dass ich ein besonderer Fan des SPE-Spitzenkandidaten wäre, aber er wäre mir immer noch lieber las Jean-Claude Junker, der zu 99% auf ÖVP Linie ist und damit für ein Europa der Überwachung steht.

##THE GOOD

###NEOS

Die Neos sind irgendwo zwischen good und bad. Good vor allem deswegen, weil es sie gibt. Es ist toll, dass endlich mal was Neues kommt und den Altparteien Dampf und sie hoffentlich in ihrer jetzigen Form obsolet macht. Als erstes könnten die NEOS die ÖVP Wien zerreißen, wär doch was, oder? Bad, weil man nie genau weiß, was die NEOS wollen. So waren die NEOS vor nicht allzu langer Zeit für den Ausbau von FRONTEX. Das ist jene unappetitliche Organisation, die die bösen Wirtschaftsflüchlinge im Mittelmeer zum kentern umkehren zwingen soll. Nach kurzer Kritik daran, wurde die Forderung ganz schnell gestrichen und nun als Relikt bezeichnet. Dass eine so junge Partei schon Relikte im Programm hat, verwundert dann doch. Ebenfalls mehr als unklar ist die Haltung der NEOS zu TTIP. Mit TTIP versuchen US Konzerne nationales und europäisches Recht im Namen des Freihandels auszuhebeln und natürlich ist auch wieder die Urheberrechtsmafia mit dabei. Der Chefverhandler von TTIP ist übrigens Mitglied er ALDE Fraktion, wo auch die NEOS dabei sind. Die Position der Spitzenkandidatin Agelika Mlinar zu TTIP ist ebenfalls mehr als unklar. Neueste Sprachregelung der NEOS scheint zu sein, man sei für Freihandel aber gegen TTIP - aus Gründen. Ich finde es gut, dass sich die NEOS endlich gegen TTIP festgelegt haben, mir ist das aber zu unsicher. Die Erfahrung zeigt, dass uns alle paar Jahre neue geheim verhandelte Handelsabkommen untergejubelt werden sollen und keiner weiß, was die NEOS dann tun werden.

Meiner Meinung nach haben sich die NEOS einen Klotz namens LIF eingetreten. Vielleicht war das wichtig, um Hans Peter Haselsteiner zu gewinnen, ich weiß es nicht. Aber das LIF wurde schon bei zwei Nationalratswahlen zu recht abgewählt, es stellt eine ideologische und personelle Hypothek dar, die die NEOS irgendwann tilgen müssen. Angelika Mlinar würde ohne Mathias Strolz heute nicht im Parlament sitzen und das LIF wäre ein ähnlich bedeutungsvoller Verein wie das BZÖ.

###DIESMAL GRÜNE

Bleiben die Grünen, die in der EU so ziemlich alles richtig machen. Vor allem in Sachen Netzpolitik kann sich die “Netzgemeinde” immer auf die Grünen verlassen. Mit Ulrike Lunacek haben die Grünen eine exzellente Außenpolitikerin im Start, deren Arbeit von den österreichischen Medien leider weitgehend unbeachtet bleibt. Sie scheint überhaupt die einzige österreichische Politikerin zu sein, die sich ernsthaft abseits von Pressefotos um Außenpolitik kümmert.

Quelle: Michel Reimon

Meine Vorzugsstimme geht aber an Michel Reimon. Michel kann im europäischen Parlament zu einem wichtigen Netzpolitiker werden. Netzpolitik war den letzten Jahren auf europäischer Ebene vor allem ein Abwehrkampf gegen alle möglichen Grauslichkeiten erdacht von Rat, Kommission und nationalen Regierungen. Die meisten Kämpfe wurden gewonnen (ACTA, Netzneutralität) andere wurden verloren wie zb Vorratsdatenspeicherung, Flugdaten etc. Von Michel erwarte ich mir, dass er in die Offensive geht und Netzpolitik aktiv betreibt. Also den Einsatz für eine Verankerung digitaler Bürgerrechte inkl Netzneutralität, Datenschutz und Privatsphäre, die Einschränkung des Leistungsschutzes und des pervertierten Urheberrechts und ein Transparentes Europa, wo jeder Bürger wissen darf, was seine Verwaltung so tut. Ich gebe zu, mich nervt ein bisschen Michels Selbstdarstellung als Reservesozialdemokrat, dürfte aber zumindest ehrlich sein!-) Wichtig ist meiner Meinung nach, wenn man Grün wählt, unbedingt Michel die Vorzugsstimme zu geben, ansonsten besteht die Möglichkeit, dass Madelaine Petrovic von Ihrer eigenen niederösterrischischen Landesgruppe mit einem 200.000 Euro Budget nach Brüssel abgeschoben wird. Für die Grünen wäre eine arme Hunderl Tierschutzromantik in der Krone wahrscheinlich ein Vorteil. Für uns Netzmenschen weniger.

Ärgerlich ist allerdings in den letzten Tagen, dass sich einige Grüne über den Vorzugsstimmen-Wahlkampf von Madelaine Petrovic beschweren. Vor allem das Argument, dass sie damit die basisdemokratische Entscheidung nicht beachte, finde ich reichlich verwegen, weil erstens die Entscheidung einer Delegiertenkonferenz sicher nicht basisdemokratisch ist und weil zweitens dann doch das Wort der WählerInnen etwas mehr zählen sollte. Aber die Grünen hatten es bekanntlich nie so mit ihren WählerInnen. Wurscht, ich wähl Michel Reimon.

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