Grüne Urheber-Lobbyisten Enquete

Montag 11.3.2013 veranstalteten die Grünen eine Enquete im Parlament zum Thema Urheberrecht. Wahrscheinlich weil ich mich in der Vergangenheit vor allem mit den Halbwahrheiten der Initiative "Kunst hat R." (Ich nenne diese Organistion bewusst nicht mehr namentlich, weil schon der Titel anmaßend ist.) beschäftigt habe, war auch ich dort eingeladen. Die Grünen sind ja nach den Piraten irgendwie der natürliche Partner für den gemeinen Internet-Menschen. Sie treten zuverlässig gegen den Patentirrsinn auf, haben die Initiative gegen die Vorratsdatenspeicherung massiv unterstützt und sind schlicht die netzaffinste und einzige ernst zu nehmende Partei. Die Enquete wurde dieser Offenheit aber nur teilweise gerecht. Ich bin kein Enquete Profi, was an sich kein Problem sein sollte, wären dort nicht so viele Profis gewesen. In den beiden Arbeitskreisen, die ich besuchte, bot sich ein ähnliches Bild. In jeweils einenhalb Stunden sollte zu einem Thema diskutiert werden. Dabei meldeten sich immer 5-6 Vertreter der Verwertungsgesellschaften und ihrer angehängten Organisationen zuerst zu Wort und nahmen damit ganz locker die erste halbe Stunde ein. Nicht nur, dass die gesamte Zusammensetzung von einem starken Ungleichgewicht zu Gunsten der Urheberrechtslobbyisten geprägt war, schafften diese es auch, dass nahezu immer über jene Details diskutiert wird, die diese so gern auf Tablet bringen. Wir sollten aber nicht über die Festplattenabgabe diskutieren, sondern zuerst einmal darüber, ob es überhaupt so etwas wie "Geistiges Eigentum" geben darf und geben kann und darüber, ob kreative Leistung durch ein Urheberrecht gefördert oder behindert wird. Es ist klar, dass die Urheberrechtslobbyisten kein Interesse an einer solchen Debatte haben, sondern viel lieber über Einnahmen, Abgaben und deren Höhe sprechen. Dieses geschickte Agenda Setting führte also dazu, dass lediglich über Details gesprochen wurde. Dabei muss man sich allerdings die Frage stellen, wo war unsere Seite, wo waren die netzaffinen Internet-Menschen, um den Kulturpessimisten die Stirn zu bieten? Wir waren da, wir waren zu wenige und wir waren zu leise. Eine Enquete der Grünen sollte eigentlich unser Habitat sein, wo am nächsten Tag Blog-Beiträge OTS-Aussendungen von "Kunst hat R." erscheinen, wie unfair das ganze war. Ist es aber nicht, weil wir immer noch glauben, die besseren Argumente zu haben reicht. Politik ist leider ein kommerzielles Geschäft, dessen wichtigste Währung Aufmerksamkeit ist. Diese Aufmerksamkeit bekommt in der Regel derjenige, der am lautesten "hier" schreit. Und im “hier” Schreien sind die Urheberrechts-Lobbyisten ganz ganz groß und wir klitzeklein. Außer in unseren Facebook-Gruppen und Twitter-Listen natürlich, dort sind wir die Größten – blöd, dass die sonst niemand liest. Wir müssen uns also professionalisieren, neben den schon guten Ansätzen wie vibe.at und netzfreiheit.org noch weitere Interessensverbände, Organisationen und Pressedienste gründen, natürliche Verbündete zum Beispiel beim Datenschutz suchen und uns massiv offline in die Debatte einbringen – also: professionell lobbyieren. Ich spreche hier durchaus selbstkritisch, denn es ist zwar sehr lustig und nötig "Kunst hat R." auf ihren tapsigen Facebook-Account zu trollen, aber es hilft wenig, wenn das Match inzwischen ganz wo anders entschieden wird. Verwertungsgesellschaften und im System verankerte arrivierte KünstlerInnen singen mittlerweile so gekonnt das hohe Lied vom armen Poeten und dem bösen Internet, dass sogar wir selbst anfangen, es zu glauben und uns verpflichtet sehen, die prekäre Situation österreichischer KünstlerInnen zu lösen, obwohl dafür ganz andere Umstände verantwortlich sind. Dies hatte natürlich auch Auswirkungen auf die Grünen: So wurde, obwohl die Veranstaltung Urheberrechtsenquete hieß, nur über die Verbindung zwischen Urheberrecht und KünstlerInnen bzw. Verwertern gesprochen. Dabei gibt es viel größere Gefahren, wenn man sich vor Augen hält, dass in Deutschland bald ein Leistungsschutzrecht beschlossen wird, das triviale Texte schützt und kostenpflichtig macht, dass mittlerweile runde Ecken auf Handys durch sogenannte Gebrauchsmuster schützenswert sind und dass es trivialste Algorithmen im Rahmen von Software Patenten eben patentiert werden können. Das alles wurde schon im Programm der Grünen Enquete nicht einmal angerissen. Fazit, die Enquete war ein Augenöffner für mich, einerseits wie sehr die Politik von professionellen Interessensverbänden geprägt ist und andererseits, dass es Zeit ist die eigene Komfortzone zu verlassen.
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