Eventtipp: Wolfgang Lorenz Gedenkpreis
2008 machte sich der erfolgreiche ORF-Direktor - immerhin wurde er weder abgesetzt, noch musste er zurücktreten - Wolfgang Lorenz, bekannt für seine epischen Beiträge zur Hochkultur wie zum Beispiel "Mitten im 8ten", auf, den Wert der Medien und deren Nutzung ins richtige Licht zu rücken und ein für alle mal klar zu stellen, wo das Internet seiner Meinung nach hingehört. An dieser Stelle ein Zitat aus Sebastian Bauers Blog, der bei Lorenzs historischer Rede anwesend war:
Bis auf einmal Prof. Wolfgang Lorenz, der Programmdirektor Fernsehen des ORF, von einem „scheiß Internet“ zu reden beginnt. Hat er das gerade wirklich gesagt, „scheiß Internet“? Er hat! Und wird nicht müde es zu wiederholen, er redet sich geradezu in Ekstase. Die Jugend von heute sei nicht in der Lage sich richtig zu artikulieren. Außer in Postings im Internet. Und ihm sei es „scheißegal“, was wir in diesem Internet machen würden. Auf heftigen Widerspruch aus dem Publikum und die Feststellung, dass man im Internet interessantere Angebote finden würde als sie der ORF biete, folgte der Sager des Abends. „Es ist mir scheißegal, ob Sie zuschauen oder nicht.“ Wortwörtlich hat er es so gesagt, der Programmdirektor des ORF.Um diese Aussagen entsprechend zu würdigen, wird heuer schon zum zweiten Mal der Wolfgang Lorenz Gedenkpreis vergeben, um jene zu würdigen, die ganz im Sinne des ORF-Direktors werken. Im unermüdlichen Einsatz für die Internetfreiheit richtet monochrom mit Host Johannes Grenzfurthner die Veranstaltung aus. Nominiert sind folgende Personen:
- Nominierung von Mathias Döpfner, weil er der Gratiskultur endlich einmal den Garaus macht und die Verlegerlandschaft und vor allem vorneweg seinem Medienhaus Axel Springer AG endlich wieder finanziellen Boden verschafft. Damit zeigt er der Medienindustrie den Weg aus der Krise, so wahr die Bild-Zeitung ein Qualitätsblatt ist.
- Nominierung von Josef Ostermayer, stellvertretend für die österreichische Bundesregierung. Diese hat das neue ORF-Gesetz beschlossen, das nicht nur eine Beleidigung für alle GebührenzahlerInnen ist, sondern auch ein Kniefall vor dem VÖZ. Um den Verlegern entgegenzukommen, wurde die Futurezone abgedreht. Die Futurezone stellte ein - wenn nicht das - wesentliche Online-Angebot des ORF dar, das den öffentlich-rechtlichen Auftrag erfüllte und abseits von jeder Anbiederung an Moden, Trends oder politische Interessen eine neutrale, eloquente und genau recherchierte Berichterstattung in Sachen Netzpolitik und Technologie zur Diskussion stellte.
- Nominierung von Stephanie zu Guttenberg für ihre Verdienste um die Wegbereitung von Netzsperren und Onlineüberwachung. In Ihrem Kampf gegen Kinderschänder und für Netzsperren scheinen auch drastische Mittel gerechtfertigt. Da geht es schon mal, dass ein Quotensender in Medienpartnerschaft mit der Bild-Zeitung Lockfallen im Internet aufstellt, und den Rechtsstaat mal außen vor läßt.
- Matthias Horx ist nominiert für seine Verdienste auf dem Gebiet der Zukunftsfehlprognosen. Zuletzt für seine Aussage, ‘Soziale Netze’ seien nur etwas für soziale Verlierer, die sich gerne gegenseitig die Unterhose zeigen. ‘Nuff said.
- Nominierung von Frank Schirrmacher, vielkopierter Beschwörer des Kampfes zwischen Mensch und Algorithmus, Apple-Fanboy mit Hirnforschungshobby ("Multitasking ist Körperverletzung"). Es war aber auch wirklich schon Zeit.
- Nominierung der Firma Kleiderbauer in der Kategorie "Unverhältnismäßigkeit der Mittel", stellvertretend für all die Abmahn- und Klagsfetischisten, die den Unterschied zwischen KleinstbloggerInnen und Medienkonzernen entweder nicht wahrnehmen oder bewusst negieren. Da sollte man meinen, seit der Vorjahresnominierung von Jako und Jack Wolfskin hätte ein Lernprozess stattgefunden. Aber schneckn. Kritiker durch Einschüchterung mundtot machen, ist Dank Kleiderbauer & Co. salonfähig; Privatpersonen mit Prozesskosten niederknüppeln bleibt auch diese Saison modern.
- Nominierung für Bernhard Heinzlmaier. Heinzlmeiers Einzelmeinung, die der Meinungsforscher nach dem Bilde Schirrmachers schuf, übersieht eine wichtige Tatsache: Facebook fragmentiert nicht nur, es provoziert, es schwitzt geradezu Hochkultur: überall rinnt sie heraus, und keiner bewahrt sie, die Hochkultur. Aber man steigt nie rein, kriegt nie nasse Füße, wenn man lauter dämliche "Freunde" hat. Dieses Dilemma muss aber irgendwie abgedichtet werden, bevor Buridans Esel auch noch ertrinkt. Bringen Sie Ihre Rohrzangen mit.
- Die Telekommunikationsanwendung namens Internet hatte der ehemalige ORF-Online-Prophet Franz Manola fest im Griff, manche behaupten sogar, er habe sie erfunden. Nun wird das Internet ja bekanntlicherweise leider weltweit zunehmend unwichtiger und da sah sich Franz Manola schweren Herzens gezwungen auf "HD-Prophet" umzusatteln (böse Zungen behaupten, das hätte etwas mit einem Karrierewechsel zu tun, aber was die Leute auf Facebook so sagen, ist ja nur Blödsinn). Wir gratulieren Franz Manola zu seinem weitsichtigen Gespür für die Erfordernisse der Realität. Als echter Österreicher sitzt man bekanntlicherweise ja ohnehin lieber vor dem Fernseher als am Information-Superhighway und dank Franz Manola kann man sich dort vom österreichischen Super-Duper-Qualitäts-HD-TV in Farbe und bunt berieseln lassen.