Anstiftung zur Todsünde

Ich bin/war überzeugter Katholik und auch immer bereit trotz einiger offensichtlicher Mängel die katholische Kirche zu verteidigen, allerdings frage ich mich als logisch denkender Mensch mit einem Hang zu statistischen Auswertungen, ob die jüngst aufgedeckten Vorkommnisse rund um sexuellen Missbrauch von Minderjährigen durch Priester und Ordensleute nicht einfach systemimmanent sind? Denn ganz ehrlich kennt jeder, der mit der Kirche auch nur entfernt zu tun hatte, Priester, denen hinter vorgehaltener Hand oder sogar offen zumindest distanzloses Verhalten nachgesagt wurde. Dabei rede ich nicht von Affären mit Pfarrersköchinen, die lediglich gegen das Zölibat verstoßen und daher nur ein internes Problem sind, mit dem die Amtskirche anscheinend nur dann ein Problem hat, wenn es an die Öffentlichkeit kommt. Ich persönlich kenne jedenfalls auch einen Fall eines Simmeringer Priesters, der nicht nur mehrere Nachwuchsfußballmannschaften sponsorte, um nach Training oder Match die Duschen inspizieren zu könnnen, sondern auch mit seinen Schützlingen seine hauseigene umfangreiche Pornosammlung in gemeinsamen Abenden ansah und manche davon sogar allein auf Auslandsreisen mitnahm. Uns als Spieler der gegenerischen Fußballmannschaft war das damals nicht mehr als ein paar homophobe Randbemerkungen wert, vor dem Hintergund der heutigen Ereignisse frage ich mich allerdings, welche Dinge dort noch passiert sein könnten und warum wir das toleriert haben. Der besagte Priester hatte allerdings anscheinend gar kein Problem damit, dass seine sexuellen Eskapaden öffentlich bekannt waren und ich behaupte mal, dass so etwas auch an seinen Kollegen nicht spurlos vorüber gegangen sein kann. Trotzdem unernahm die Kirche nichts. Und die Kirche unternahm anscheiend bei unzähligen anderen und wahrscheinlich viel schwereren Fällen genau nichts, beziehungsweise verunglimpfte die Opfer noch nachträglich wie zum Beispiel beim Fall Groer. Denn das Problem dabei ist eben nicht der Zölibat, der führt höchstens zum Bruch des selbigen, sondern, dass die Kirche jahrzehntelang durch Vertuschungsmaßnahmen eben solche Päderasten angezogen und ihnen eine entsprechend freundliches Umfeld geboten hat. Es ist ja leider nicht so, dass Kinder nicht auch in anderen Erziehungseinrichtungen oder von nicht-katholischen Pädagogen sexuell belästigt wurden und werden. Nur sind diese in der Regel auf sich allein gestellt und werden einmal erwischt vor Gericht gestellt und entlassen. Nicht so in der katholischen Kirche, dort haben sie Verbündete gefunden, die bis hinauf zu Kardinal und Papst dieses Verhalten decken und im schlimmsten Fall eine Versetzung einleiten. Das heißt die Vertuschung führte zur Duldung und die Duldung letztlich zur Förderung dieses Verhaltens. Man könnte es auch als Anstiftung zur Todsünde bezeichnen. Vor diesem Hintergrund kann ich als gläubiger Mensch die gestrige Wortmeldung von Kardinal Schöborn nur noch als zynisch bewerten, wenn er von einem Läuterungsprozess spricht und gleichzeitig eine neue Christenverfolgung hochstilisiert. Ein Schuldiger scheint ebenfalls schon gefunden, nämlich die 68er:
Dazu gehört die Frage der Priestererziehung genauso wie die Frage nach dem, was in der 68er-Generation mit der 'sexuellen Revolution' geschehen ist.
schreibt Schönborn im Mitarbeitermagazin der Wiener Erzdiözese. Ich persönlich gebe nach solchen Aussagen die Hoffnung auf, dass sich in der Kirche nochmal irgendwas ändert. Interessant ist hier wiedermal die Rolle der Politik. Während Internet-Nutzer ständig und immer stärker unter Pauschalverdacht gestellt werden und während MinisterInnen immer wieder die fiktive Kinderpornoindustrie an die Wand malen, passiert hier nichts. Dabei hat die Kirche eben jahrezehntelang Kinderschändung in den eigenen Reihen geduldet und letztlich gefördert. Und mit Steuergeld gefördet werden nach wie vor jene Institutionen, in denen die Verbrechen passierten und die Schüler eigentlich christliche Werte vermittelt bekommen sollten.
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