10 Jahre Wende - Mein Rückblick

familie20100129160902Gleichmal vorweg, wenn ich hier vielleicht falsche Fakten anführe, bitte unbedingt in den Kommentaren anmerken. Mir geht esauch darum, meinen subjektiven Eindruck zu schildern und da sind durch die Erinnerung oder eine unterschiedliche Wahrnehmung entstandene Unterschiede durchaus interessant. Aus heutiger Sicht fällt mir der Blick zurück auf die Wende nicht gerade leicht, ist doch das Ergebnis mehr als erschütternd, sieht man zum Beispiel nach Kärnten , wo ein ganzes Bundesland wie eine Sekte agiert oder auch ins Burgenland, wo ein Asylerstaufnahmezentrum als Anschlag auf das Bundesland gilt. Es ist das Verdienst Jörg Haiders und seiner Kumpanen, dass unsere Politik ein Stück weit menschenverachtender, oberflächlicher und undemokratischer wurde als vor 10 Jahren. Meine Sicht auf die Dinge im Jahr 2000 war jedoch ganz anders und wird wohl bis heute den meisten meiner LeserInnen entgegen stehen. Ich persönlich empfand die 90er Jahre als politisch extrem lähmende Dekade. Der EU-Beitritt brachte nicht die erhoffte Aufweichung der verkrusteten Strukturen, die Öffnung des Ostens wurde nicht zum kulturellen Austausch genutzt und ÖVP und SPÖ waren fröhlich mit dem verteilen von Posten beschäftigt, ohne sich besonders um die WählerInnen zu kümmern. Als Wähler stand man dem Treiben mehr oder weniger ohnmächtig gegenüber, da eine große Koalition auf ewig perpetuiert schien. Einen Ausweg aus diesem Dilemma bot nur die FPÖ bzw. Jörg Haider an. demonstrationen20100128161714Ich war jedenfalls froh darüber, dass 2000 endlich keine rot/schwarze Regierung angelobt wurde und natürlich war ich empört über den anmaßenden Thomas Klestil, der sich als SPÖ-Knecht erwies und noch empörter war ich über die Sanktionen. Beide würde ich auch heute noch so bewerten. So katastrophal letztlich die Bildung dieser Regierung für Österreich war, so hatte sie eben doch eine demokratische, parlamentarische Legitimation, die für mich aus heutiger Sicht, sowohl Bundespräsident als auch das EU-Ausland nicht anerkennen wollten und sich somit als Undemokraten erwiesen. Anders verhält es sich bei den Demonstrationen, die fand ich auch damals legitim, wenn auch schwer übertrieben. Der immer wieder skandierte Ruf nach Widerstand implizierte geradezu den Vorwurf, es handle sich um eine demokratisch illegitime Regierung. Die Tatsache, dass Jörg Haider mit seiner Familie unter Polizeischutz aus einem Lokal im achten Bezirk begleitet werden musste, weil Demonstranten diesen zufällig dort entdeckt hatten und sich die Situation anschließend so aufschaukelte, dass diese offensichtlich um ihre Gesundheit fürchten mussten, ist einer der Tiefpunkte der Gegenbewegung. Trotzdem finde ich es aus heutiger Sicht ganz toll, dass es Leute gab, die ein anderes, toleranteres Österreich in die internationale Auslage stellten. Spätestens 2002 war aber klar, dass mit der FPÖ kein Staat zu machen ist und spätestens hier wird der machtpolitische Sündenfall der ÖVP offensichtlich. Anstatt mutig eine vielversprechende Koalition mit den Grünen einzugehen, wählte die ÖVP die billigere Variante mit der geschwächten FPÖ. Von nun an sollte Ausländerfeindlichkeit, Asylhetze und extreme Günstlingswirtschaft (Grasser, ÖBB, Seibersdorf etc.) zentrale Eigenschaften der ÖVP werden. Bis zum Jahr 2000 waren die Erfüllungsgehilfen der freiheitlichen Ausländerhetze immer SPÖ-Innenminister, auch diese Rolle wurde erschütternderweise von der angeblich christlichen ÖVP übernommen. Schwarz/Blau konnte auf keinem Gebiet die Erwartungen erfüllen. Nahezu alle Privatisierungen wurden gnadenlos versemmelt. Die Verstaatlichte wurde mit Stümpern besetzt, die zufällig das richtige Parteibuch besaßen. Die Sozialpartnerschaft wurde nicht nachhaltig ausgehebelt, steht mittlerweile in der Verfassung und feiert fröhliche Urstände. Im Innenministerium wurde Umfärben neu definiert, man musste nicht mehr nur das richtige Parteibuch besitzen, sondern dort auch der richtigen Gruppe zugezählt werden. Die Bildungspolitik bliebt unter der Handarbeitslehrerin Gehrer im wesentlichen unverändert und wird sich noch viele Jahre negativ auswirken. Mit Karl Heinz Grasse, der später um ein Haar Vizekanzler geworden wäre, zog auch eine neue Unverfrorenheit in die Regierung ein und das legitime und nötige Nulldefizit wurde zum gelogenen Waschmittelslogan degradiert. In die ÖVP vollzog in diesen Jahren den Schwenk von einer christlichen Partei hin zu einem machtverliebten und machtbewussten Apparat. Und trotzdem war die Wende alternativenlos. Eine weitere Rot/Schwarze Koalition hätte vier Jahre später jedenfalls zu einer relativen Mehrheit für Jörg geführt. Einmal ganz abgesehen davon, dass eine solche Koalition weniger dreist aber wahrscheinlich genauso unfähig agiert hätte. Auch heute sind die politischen Verhältnisse ehrlicherweise alternativenlos und zwar für eine große Koalition, da die heutige FPÖ weder regierungsfähig noch regierungswürdig ist. Leider wird das zu weitern Siegen für die rechten Rülpel und zu einer vorauseilenden ausländerfeindlichen Politik von ÖVP und SPÖ führen. Für den Umgang mit der FPÖ aber auch mit den ihr zugetanenen Medien müsste eine neue Strategie ausgearbeitet werden. Meiner Meinung nach dürften sich PoltikerInnen nicht mehr mit Strache, Dörfler und Scheuch an einen Tisch setzen. Nicht weil diese undemokratische Demagogen sind, sondern weil diese schlicht und einfach nicht ernst zu nehmen weil lächerlich und stets destruktiv sind. Passieren wird das freilich nicht, weil zum Beispiel unser Bundeskanzler mit Inseratenkampagnen nicht unwesentlich zu wirtschaftlichen Erfolg von Hetzblättern wie Krone, heute und Österreich beiträgt. Oder weil Typen wie Wolfgang Fellner, dessen Österreich ungefähr genausoviel mit Journalismus zu tun hat wie Osama bin Laden mit Frieden, Freude und Eierkuchen ernst genommen und zur Pressestunde eingeladen werden.
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