@DanielKapp und die Jubelperser

Seit gut zwei Wochen beehren uns mehrere enge Mitarbeiter der Bundesregierung auf Twitter. Mich persönlich freut das. Vor allem, weil Twitter nicht nur als zusätzlicher Channel genutzt wurde, um die eigenen Botschaften unterzubringen, sondern um zu kommunizieren. Mitunter ging es etwas selbstreferenziell zur Sache, wennn sich der Bürochef von Vizekanzler Josef Pröll @DanielKapp und der Pressesprecher Faymanns @leoszem gegenseitig neckten. Man wusste nie so ganz genau, was ist nun ernst und was halb Scherz. Irgendwann fing dieses gegenseitige selbstreferentielle Imponiergehabe an zu nerven. Alle, die das stört, können sie ganz einfach entfollowen? Mich nerven ganz viele Menschen auf Twitter und dafür gibt es eine ganz einfache Lösung und die heißt unfollow und in extremen Fällen block. Auch Regierungssprecher dürfen Schwachsinn schreiben. Sie müssen nur die Konsequenzen dafür tragen. Insgesamt dürfte sich aber die Stratgie von @DanielKapp und @leoszem gelohnt haben, die Aufmerksamkeit der Twitteria war ihnen sicher. Heute nahm der Fall eine nicht unbedingt unerwartbare Wendung. Robert Misik, ein Journalist den ich zwar schätze, aber dessen in tiefrote Wolle gefärbten poltitsichen Hintergrund man immer mitbedenken muss, griff also durchaus berechtigt Josef Pröll und seine Politik in seinem Videoblog an. Worauf @DanielKapp mit einem Zitat Broders wiederum @misik kritiserte. Soweit, so langweilig. Aber was folgte dann? Eine künstliche Aufregungskulisse. In den Hauptrollen @DanielKapp, @misik, @muesli und @olobo. Ein einzelner Tweet war Robert Misik nämlich gleich ein ganzes Blogposting wert. Ein Posting, das übrigens total daneben war, denn natürlich hat auch ein Regierungssprecher das Recht, JournalistInnen zu kritisieren. Kritik an JournalistInnen ist eben genauso Teil der Meinungsfreiheit wie jene an PolitikerInnen. Ein Vergleich mit Putins Medienpolitik ist hier jedenfalls gar nicht angebracht. Es folgt was folgen musste und @DanielKapp lässt sich zu einem Tweet hinreißen, der drei Twitteranten als Jubelperser bezeichnet. Ebenfalls nicht die feine englische Art und ebenso unangebracht wie Misiks unpassender Putin Vergleich. Und genau hier beginnt dann auch das Politikerbashing. Es schalten sich gleich zwei A-Blogger ein, um den vermeintlichen Digital Imigrant @DanielKapp eine Lektion in Sachen virtuelle Umgangsformen zu geben. Man darf gespannt sein, wie es weiter geht in Sachen künstlicher Empörung. Was mich an der ganzen Geschichte wundert ist, wie sehr hier doch mit zweierlei Maß gemessen wird. Seit mittlerweile 15 Jahren Foren, Newsgroups und Chats wissen wir, dass eine verschriftlichte Kommunikation sehr oft zu Missverständnissen führt und trotzdem fallen wir alle immer wieder drauf rein. Ironie, Augenzwinkern und Sarkasmus lassen sich eben nur sehr bedingt über Twitter vermitteln. Die vorher kritisierten Hahnenkämpfe von @DanielKapp und @leoszem setzen sich nun in der Jubelperser Debatte nahtlos fort. Aber es ist mehr als ein medienbedingtes Kommunikationsproblem. Es mutet für mich wie ein Revierkampf an. Ein Kampf, in dem die vermeintlichen Platzhirschen ihr eigenes Terroritorium vor Andersdenkenden mit aller Wucht verteidigen und den Eindringling aus der politisch verfeindeten Reichshälfte schon an der Grenze des eigenen Twitterimperiums abweisen müssen. So gesehen konnte @DanielKapp nur Fehler machen. Politische Parteien haben in Netz bekanntlich ein massives Kommunikationsproblem. Sie sind dort kaum vorhanden und wenn dann nur halbherzig. Sie spielen elend langweilige Youtube Videos online und wundern sich, dass diese unter 100 Views haben. Sie haben Webpages, die auf Alexa weit hinter halbherzig befüllten Blogs ranken. Sie stellen Fotos auf Flickr, die keiner sehen will. Sie betreiben Blogs, die oft plötzlich mit "Morgen wählen gehen" enden. Und sie verschicken nach wie vor Email-Spam an alle, die sich jemals für sie interessiert haben und so dumm waren, eine Email-Adresse rauszugeben. Vor dieser Geschichte voller Misserfolge und Missverständnisse ist es umso erfreulicher, wenn sich MitarbeiterInnen aus den Ministerbüros - also dort wo wirklich Politik gemacht wird - auf  Twitter begeben und ihre Sicht der Welt mit uns teilen. Beißreflexe sind hier unangebracht.
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