Die Abtreibungsfalle

Wenn die normative Kraft des Faktischen irgendwo wirklich greift, dann ist das bei der Abtreibung der Fall. Frauen haben wohl immer schon abgetrieben, nur früher eben mit erheblichem gesundheitlichen, gesellschaftlichen und juristischen Risiko. Das Problem an der Diskussion ist, dass es keine Kompromisse geben kann. Die einen, zu denen ich mich zähle, sind eben der Meinung, dass es sich um zwar ungeborenes aber ganz sicher um Leben handelt und die anderen bestreiten eben genau das. Ein Dazwischen gibt es bei diesem Thema kaum, obwohl es natürlich extreme Auswüchse auf beiden Seiten gibt. Zum Beispiel wurde ein Abtreibungsarzt in den USA von militanten Lebensschützern ermordet. Wie pervers es ist, jemanden im Namen des Lebensschutzes zu töten, brauche ich wohl nicht näher auszuführen. Komischerweise sind übrigens dieselben Gruppen und Personen vehemente Befürworter der Todesstrafe, auch so etwas, dass extrem unlogisch anmutet und nur mit ideologischer Verblendung erklärt werden kann. In Österreich sind wir davon zum Glück weit entfernt, aber denn Sinn, Frauen vor einer Abtreibungsklinik zu belästigen oder gar einzuschüchtern, kann ich ebenfalls nicht erkennen. Auf der anderen Seite steht eine kommerzielle Abtreibungsindustrie, dessen extreme Spitze jene Ärzte und Ärztinnen bilden, die sich in der Öffentlichkeit gerne als HelferInnen generieren. Zweifel scheint es keine zu geben. Besonders pervers erscheint mir das Abtreibungsschiff, dass von einer Non-Profit Organisation getragen wird und mittlerweile Gott sei Dank nicht mehr in Betrieb ist. Die Abtreibung zu akzeptieren ist eine Sache, aber sich aktiv aus Überzeugung für die Tötung von Leben einzusetzen, dann doch wieder eine ganz andere, die mir einfach nicht in den Kopf gehen will. In Wien hat jetzt Michael Häupl beschlossen für eine Firma, die mit Abtreibungen ihr Geld verdient, eine Party zu schmeißen. Denn schließlich sind das Wählerstimmen ganz im Gegensatz zu den ungeborenen Kindern. Worauf dort angestoßen wird, will ich lieber gar nicht wissen. Die österreichische Realpolitik behandelte die Fristenregelung bis zum Vorstoß des Wiener Bürgermeisters als Tabu. Auch die ÖVP hat die Fristenregelung längst akzeptiert. Dabei gäbe es gerade auch abseits der Fristenregelung viel zu klären. Dass behinderte ungeborene Kinder bis kurz vor der Geburt getötet werden dürfen, wenn man nur einen Arzt findet, der die Behinderung bestätigt und die Abtreibung durchführt, ist ein ganz besonderes schreiendes Unrecht. Dass die sogenannte Pränataldiagnostik zu einer Selektion im Mutterleib und damit zu einer Art vorgeburtlicher Euthanasie umfunktioniert wird, ebenfalls. Eine Strategie der Abtreibungsgegner kann ich aber nicht erkennen, sie konzentriert sich lediglich auf die Forderung nach einem absolutem Verbot, obwohl klar ist, dass dieses weder bei der Bevölkerung noch bei den derzeitigen politischen Parteien durchsetzbar ist. Ziel sollte es vielmehr sein, möglichst viele Frauen von einer Abtreibung abzuhalten und das beginnt bei der Aufklärung und der Empfängnisverhütung. Anstatt ständig die Abtreibung auf Krankenschein zu fordern - als ob Schwangerschaft eine Krankheit wäre - sollte die Pille aber auch Kondome auf Krankenschein verfügbar sein. Damit zusammen hängt eine ausreichende soziale Absicherung, die am besten in der Form eines bedingungslosen Grundeinkommens gewährleistet wäre. Und schließlich müsste es auch Abseits jener "Institute", die mit der Abtreibung ganz gute Umsätze machen, aber auch abseits der kirchlichen Beratungsstellen ein massives Beratungsangebot für schwangere Frauen geben. Mein derzeitiger Eindruck ist eher, dass schwangere Frauen in Notsituationen von Staat und Gesellschaft allein gelassen und zusätzlich von Abtreibungsgegners dämonisiert werden. Beides sollte sich ändern.
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