Simmering im Falter
Die meisten der Leser dieses Blogs werden mit Simmering nicht sehr viel verbinden außer den Zentralfriedhof, die Entsorgungsbetriebe Simmering und die gesperrte Ausfahrt Simmering aus dem Verkehrsfunk. Simmering matcht sich regelmäßig mit Kapfenberg um den Titel des rötesten Bezirken Österreichs und wenn Simmering dann einmal das Match verliert, dann wird es sofort zum Hoffnungsträger für die FPÖ erklärt. Simmering hat nur 2 Gymnasien für fast 90.000 Einwohner und WolframAlpha kennt Simmering gleich mal gar nicht. Die beiden berühmtesten Simmeringer sind wahrscheinlich Josef Lang der letzte Henker der Monarchie und Schneckerl Prohaska. Simmering wird man nur selten in den Reiseführern finden, dafür aber umso öfter in diversen Sozialpornos von Frau Spira. Ich selbst bin Simmeringer und lebe bis heute dort, auch wenn viele die Gasometer fälschlicherweise zum 3. Bezirk zählen. Politisch war ich in den 90ern in der ÖVP Simmering aktiv und konnte dort von 96 bis 97 als Bezirksrat der ÖVP und anschließend zwei Jahre als parteifreier die Simmeringer Politik im Allgemeinen und die SPÖ im Besonderen kennen lernen, die den Bezirk seit 1945 mit absoluter Mehrheit regiert. Bezirkspolitik war nicht mein Ding. Denn ehrlich gesagt interessieren mich die Positionen von Verkehrsschildern genauso wenig wie die Reparatur lockerer Kanaldeckel oder die Gefahr durch zu scharfe Gehsteigkanten. Aber man sollte eigentlich meinen, dass innerhalb einer politischen Szene, die nur sehr kommunale und selten ideologische Angelegenheiten zu erledigen hat, ein sehr konstruktives Klima über die Parteigrenzen hinweg herrschen müsste, das stimmt aber zumindest für Simmering gar nicht. Dort führte jahrzehntelang der Bonze Johann Hatzl, die Partei und den Bezirk, denn beides lässt sich nach dem Selbstverständnis der Simmeringer SPÖ nicht trennen. "Simmering ist die SPÖ", hat Hatzl wahrscheinlich nie gesagt, aber immer so gehandhabt. In einer Bezirksvertretung, in der die SPÖ die absolute Mehrheit hatte, heißt das, dass prinzipiell alle Anträge der anderen Parteien abgelehnt wurden. Anfragen wurden vom Bezirksvorsteher wenn dann nur sehr flapsig beantwortet und oftmals wurde die Geschäftsordnung bemüht, um unangenehme Anträge und Anfragen nicht zuzulassen. Der Bezirksvorsteher pflegte den nur in der Simmeringer Bezirksvertretung üblichen feudalen Brauch der sogenannten Anregung. Das heißt, Bezirksräte konnten schriftlich Anregungen einbringen, die der Bezirksvorsteher dann wohlwollend oder ablehnend behandelte. Wollte man allerdings als oppositioneller Bezirksrat etwas konstruktives durchsetzen, war dieser Weg der einzige und man musste sich auf das erniedrigende Spiel des roten Feudalherren einlassen. Konstruktive Diskussionen innerhalb der Bezirksvertretung waren nicht möglich, dort wurde jedes Wort auf die Waagschale gelegt, Feindseligkeit beherrschte das Parkett am Enkplatz. Oppositionsparteien spielten in Simmering also keine Rolle. Die ÖVP versuchte sich traditionell in der Anbiederung an die SPÖ, was ebenso wenig funktionierte wie die Konfrontations- und Provokationstaktik der Grünen, obwohl mir diese immer schon besser gefiel!-) Die 15 FPÖ-Mandatare versuchten sich auch schon damals gegenseitig in Sachen Menschenfeindlichkeit zu überbieten und was die beiden sympathischen jungen Herren vom LIF gemacht haben, weiß ich so genau bis heute nicht. Im letzten Falter war ein kleines Portrait über die Chefs der SPÖ und der FPÖ. Den FPÖ Chef kenne selbst ich noch, der ist schon ewig Bezirksvorsteherstellvertreter und ehrlicherweise muss man sagen, dass es viel schlimmere Freiheitliche als Herrn Stadler gibt, was allerdings auch gleichzeitig seine politisch beste Eigenschaft ist. Erstaunt war ich darüber, dass die Simmeringer SPÖ seit zwei Jahren der Gemeinderat Harald Troch ist. Ich konnte Troch als Bezirksrat kennen lernen. Dort war er zumindest der einzige in der SPÖ Fraktion, der seine Intelligenz nicht gut genug versteckte und mit dem man offen diskutieren konnte. Ein sehr ungewöhnlicher Nachfolger für Johann Hatzl. Troch ist natürlich ein voll integrierter Bestandteil der roten Nomenklatur, schon allein dadurch, dass er schon seit langer Zeit den Marsch durch die Institutionen geht.
"Mein Vorteil ist, dass ich selbst die politische Ochsentour absolviert habe", sagt er selbst gegenüber dem Falter. Leute, die diesen Marsch, diese Ochsentour durchdrücken sind einerseits bewundernswert, andererseits verlieren sie auf diesem Marsch auch viel an Unabhängigkeit und ein stückweit auch die eigene Meinung. Das merkt man bei Troch, wenn er etwa die Forderung nach mehr Polizisten nachbetet oder die Errungenschaften von Hatzl preist.
"Der Hansi hat sich für uns eingesetzt", sagt Troch gegenüber dem Falter und meint, damit nicht jenen Roten Filz mit dem die SPÖ ihresgleichen schon seit Jahrzehnten mit Posten und Aufträgen versorgt, sondern das Simmeringer Freibad oder die U-Bahn. Er vergisst dabei freilich, dass Simmering der letzte Bezirk Wiens ohne U-Bahn war und eben lange Zeit nicht einmal ein eigenes Hallenbad hatte. Eigentlich grotesk, dass die SPÖ im Rathaus ausgerechnet jenen Bezirk stiefmütterlich behandelt, der ihr lange Zeit die meisten Stimmen brachte. Unverbesserliche Fans des Wiener Arbeiterbezirks können übrigens hier auf Facebook Fans werden.