Die Kinderporno-Falle

Ich glaube es gibt hunderte Einträge zu Zensursula. Der Name Zensursula als Hashtag für die Zensuraktion der deutschen Ministerin ist zwar irgendwie witzig, verharmlost das Thema Zensur aber letztlich. Aber das nur am Rande. Was ist in Deutschland passiert? Eine sehr öffentlichkeitsbewusste Ministerin trieb wochenlang Politik und Medien mit dem Thema Kinderpornographie vor sich her. Hier zu argumentieren ist auch schwer, denn schließlich geht es um missbrauchte Kinder und wer will am Ende schon als Freund der Kinderpornographie da stehen. Interessant an der deutschen Nichtdebatte war auch, dass Blogosphäre und klassische Medien nicht im Austausch waren. Außer in Computerfachmedien erschienen kaum kritische Artikel zum Vorhaben der DNS-Sperren, dafür in den Blogs umso mehr. Was ist jetzt daran so schlecht, dass Kinderpornos per DNS-Sperre geblockt werden. Wenn es als eine Maßnahme von vielen eingesetzt wird, nichts. Man muss sich nur darüber im Klaren sein, dass eine DNS-Sperre relativ einfach umgangen werden kann, indem man zum Beispiel einen DNS Server im Ausland oder einen eigenen DNS Server nutzt. Auch das Benutzen des Netzwerkanonymisierdienstes TOR kann unter Umständen eine solche Sperre umgehen. DNS-Sperren können aber nicht das Bemühen um Löschung des Inhaltes ersetzen. Das große Problem beim deutschen Modell ist, dass die gesperrten Domains geheim bleiben sollen  und damit einer demokratischen Kontrolle entzogen werden. Und genau hier liegt der Hund begraben, weil erstens Missbrauch sehr einfach ist und zweitens sehr schnell auch andere auf die Idee kommen werden, DNS-Sperren für ihre Zwecke zu fordern. Denn wer könnte schon etwas gegen die Sperre von terroristischen oder rechtsextremen Seiten haben? Wir wissen nur leider aus den Erfahrungen der jüngsten Geschichte, dass man sehr schnell zum verdächtigen Terroristen mutiert. Da reichen oft das Verschicken einer verschlüsselten Email oder aus dem Rucksack schauende Stromkabel. Und schließlich wird auch die Urheberrechtsmafia ihren Teil vom Kuchen fordern und beispielsweise Pirate Bay sperren wollen. Den Beweiß dafür liefert der Chef  des Bundesverbands der deutschen Musikindustrie in einem Interview mit der Zeitschrift Mobil. Dort sagt er:
Der Vorstoß der Familienministerin zum Verbot von Kinderpornografie im Internet ist ein richtiges Signal. Es geht um gesellschaftlich gewünschte Regulierung im Internet, dazu gehört auch der Schutz des geistigen Eigentums.
Solche Sperren sind also nur dann sinnvoll, wenn sie öffentlich werden, was aber auf Grund der leichten Umgehbarkeit der Sperren erst recht kontraproduktiv wäre. DNS-Sperren stellen also ein relativ untaugliches Mittel dar, um Kinderpornographie zu bekämpfen. Nach der erfolgreichen Einführung von DNS Sperren wird man also sehr schnell feststellen, dass diese aufgrund von Proxies und Anonymisierungsdiensten sehr nutzlos sind. Und dann ist die Forderung nach einer Kontrolle oder gar einem Verbot dieser Dienste sehr schnell zu Hand, denn schließlich sind Menschen, die solche Dienste nutzen ohnehin suspekt und haben etwas zu verbergen. DNS-Sperren sind also nur der Auftakt zu weiteren Zensur- und Kontrollmaßnahmen. Und wie unwirksam DNS-Sperren sind, zeigt vor kurzem die Organisation Carechild auf. Die Organisation schaffte es innerhalb eines Tages von 20 Domains, die auf einer dänischen Sperrliste stehen, 16 nur durch anschreiben der Hosting-Provider von Netz zu bringen. Bei den restlichen 4 versicherten die Provider, dass es sich um legales Material handelt. Zumindest für die dänischen Behörden schein es also bequemer, sich auf DNS-Sperren zu verlassen, als die Kinderpornos endgültig und somit für die ganze Welt vom Netz zu bringen. Die Frage, die sich mir bei dieser Diskussion immer stellt, ist, warum die Debatte gerade jetzt geführt wird? Es gibt keinen Anlassfall und es gibt auch keine Kriminalstatistik, die auf ein Ansteigen der Delikte beim Konsum von Kinderpornographie oder bei Kindesmissbrauch hindeutet. Im Gegenteil die britische Internet Watch Foundation geht sogar von einem Rückgang aus. Seit 911 diente vor allem der Kampf gegen den Terror dazu, unsere Bürgerrecht zu beschneiden. Wir können einfacher abgehört werden, das gouvernementale Mashup Rasterfahndung funktioniert besser denn je, bei der Einreise in die USA dürfen die Behörden die Festplatten unserer Laptops kopieren, wir werden in der U-Bahn gefilmt und - nicht zu vergessen - die Vorratsdatenspeicherung. Alles dient natürlich nur dem Kampf gegen den Terror, dem sich Medien und Politik gerne verschreiben, denn wer ist schon gerne ein Freund des Terrors.  Seit der Wahl von Obama klappt das allerdings mit dem Terror nicht mehr ganz so, das Thema ist nicht mehr heiß und kann nicht mehr so einfach als Allzweckwaffe eingesetzt werden. Daher braucht man eine neue Bedrohungskulisse, um die Kontrolle des Staates wieder und wieder ein Stückchen auszudehen. Und was eignet sich da besser als der Kampf gegen die Kinderpornoindustrie, die es in der an die Wand gemalten Form gar nicht gibt. So schildert Rechtsanwalt Udo Vetter ein seinem Blog glaubhaft, dass die meisten seiner Klienten, die sich vor deutschen Gerichten wegen Konsum von Kinderpornographie verantworten mussten, freigesprochen wurden. Und selbst jene, die schuldig waren, hätten ihr "Material" vor allem über den Tauschweg oder per Post bezogen. Kein einziger, betont Vetter, habe seine Tauschpartner bezahlt. Das kann man jetzt natürlich als Einzelmeinung eines Insiders abtun, aber einerseits gibt es über die Szene natürlicherweise wenig statistisch verwertbare Zahlen und andererseits relativiert es die Aussagen der deutschen Familienministerin, dass monatlich Millionenbeträge umgesetzt werden. Eine Aussage, die jedenfalls auf weniger Fakten basiert, als die Vetters. Medien und Politik tappen also wiedermal leichtgläubig in eine Falle, diesmal die Kinderpornofalle. Es war nur eine Frage der Zeit bis das Thema in Österreich ankommt und es verwundert nicht, dass sich gerade in einem Bundesland, dass demnächst Landtagswahlen hat, zwei Fraktionen einen Initiativantrag zur Einführung von DNS-Sperren nach deutschem Muster einbrachten und beschlossen. Dass eine der beiden Fraktionen, die ÖVP war, ist auch nicht weiter verwunderlich, denn schließlich hat die ÖVP noch alles mitbeschlossen, das unsere Bürgerrechte einschränkt. Die zweite Fraktion waren allerdings die Grünen. Die Grünen waren allerdings bisher die einzige Partei, die konsequent gegen die Beschränkung unserer Bürgerrechte und für ein freies Netz eintrat. Zum Beispiel ihr Auftreten gegen Rasterfahndung und gegen Software-Patente und zum Glück sind die Wiener Grünen gegen Kameras in den Öffis. In den letzten Jahren haben die Grünen viele ihrer Kernkompetenzen zumindest nach unten nivelliert. Es wäre Schade, wenn auch diese verloren geht. Links und Quellen:
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