Die Wahlschmarotzer

Ja, ich  bin frustriert. Frustriert darüber, dass die Wiener Grünen anscheinend genau das nicht sind, was ich mir erwartet habe, nämlich offen, demokratisch, kritik- und diskursfähig. Die Grünen sind mitten in der stinknormalen, abstoßenden Parteipolitik angekommen. Es war nicht zu erwarten, dass alle das Projekt lieben und uns mit offenen Armen empfangen werden, aber ich bin davon ausgegangen, dass sich die Grünen an ihr eigenes Statut halten und alle Vorwähler aufnehmen werden. Eine andere Annahme war für mich bis kurzem absolut absurd. Ich habe bisher noch keinen Grünen getroffen, der offen der Meinung vertrat, alle Vorwähler müssten pauschal abgelehnt werden. Da stellt sich gleich nochmal die Frage, warum sind sie noch nicht angenommen worden? Alle möglichen Grünen selbst Christoph Chorherr wünschen sich oder verlangen von den Vorwählern mehr Zeit, nur wozu? Mehr Zeit heißt doch nur, dass noch nicht sicher ist, ob überhaupt jemand angenommen wird. Ich verstehe, dass einzelne Mitglieder der Grünen um ihre Positionen, Mandate und Einkommen fürchten, nur kann diese Angst vor dem Vorwähler wirklich soweit gehen, dass das Statut der Wiener Grünen zurecht gebogen wird? Viele Grüne haben Angst, dass wir einen fiesen Masterplan verfolgen, um damit bestimmte Kandidaten zu pushen oder gar andere abzuwählen und übersehen dabei, dass die Vorwähler eine sehr inhomogene Gruppe sind, die lediglich der Wunsch eint, die Grünen wieder mehr zu öffnen. Mit der Nichtbehandlung dieser Unterstützer passiert allerdings genau das, wovor man bei den Grünen Angst hat. Die Vorwähler vernetzen sich untereinander, sprechen sich ab und reden zum Beispiel darüber, wer bei den Grünen denn nun  für uns und wer gegen uns ist. Die Angst der Grünen vor einer homogenen Gruppe erzeugt also genau eine solche, eine Self-Fulfilling-Prophecy. Das Statut der Wiener Grünen besagt, dass Unterstützer unter Angabe von Gründen abgelehnt oder aufgenommen werden müssen. Beides passiert nicht, es wird also zumindest eine Beugung des Statuts in Kauf genommen. Meiner Meinung nach will  man damit Zeit gewinnen und eine eventuelle Ablehnung erst nach den EU-Wahlen durchführen. Denn nachher wäre wieder genug Zeit, um ein negatives Medienecho bis zu den Wiener Wahlen einfach auszusitzen und Aussitzen scheint eine Kernkompetenz zu sein. Das heißt nicht, dass ich glaube, dass bei den Wiener Grünen ein fieser Masterplan existiert, aber eine andere logische Erklärung für die bewusste Verzögerung bis nach den EU-Wahlen, gibt es einfach nicht. Gestern beim Infoabend wurde uns erklärt, dass manche Mandatare und Möchtegern-Mandatare vor einer größeren Öffentlichkeit als der der eigenen Partei Angst haben und eine Verlagerung des Wahlkampfs um Mandate außerhalb der traditionellen Strukturen fürchten. Mir kam das vor, als sollte der Grüne Klub im Rathaus eine geschützte Werkstätte sein, aber es geht dann doch um Politiker. Politiker, die sich schon vor einer nahestehenden Teilöffentlichkeit fürchten haben letztlich den falschen Job gewählt und sollten dringend ihren AMS-Berater aufsuchen. Aber mit der Kommunikation ist es bei den Wiener Grünen auch nicht so weit her, denn im Handbuch darüber, wie man nicht mit seinen Wählern kommuniziert, müsste dieser Fall ganz oben stehen. Ein Landesgeschäftsführer schreibt einen Offenen Brief an die Vorwähler und bittet diesen auf unser Blog zu stellen. Vergisst aber dann, sich an der Diskussion darüber zu beteiligen, um fünf Tage später einen Kommentar zu schreiben, der genauso unverbindlich ist, wie das Wischi-Waschi in seinem Offenen Brief vorher. Da braucht man weder Kommunikationsexperte noch Blogger zu sein, um zu wissen, dass so etwas nicht gut ankommt, dazu sollte der Hausverstand schon ausreichen. Angst scheint also das zentrale Thema bei den Grünen zu sein. Fast ist man verleitet, von einer Angst vor der Überfremdung zu sprechen. Die Grünen lassen die Grenzbalken runter, machen die Schotten dicht und sagen das Boot ist voll. Die Partei der Toleranz bringt damit den Vorwählern ein pauschales Misstrauen entgegen und stellt diese unter einen Generalverdacht, in dem ihre Redlichkeit angezweifelt wird. Es wird den Unterstützern unterstellt, sie wollen gar nicht mitarbeiten, sondern nur mitbestimmen, Wahlschmarotzer quasi. Diesem Geist entspricht auch das Posting eines Grünen Bezirksrats, der so etwas wie eine Gewissensprüfung fordert. Analog zu den Deutschtests für Zuwanderer, soll die korrekte Verwendung des Binnen-I und eine Prüfung über die Prinzipien der Grünen stehen. Dabei ist Paranoia bei den Grünen durchaus angebracht, glaubt man einem Artikel in der neuesten Ausgabe von Fleisch, der besagt, dass von 50 befragten Grünen Funktionären 26 in den letzten 20 Jahren nie Grün gewählt haben. Wenn also schon die Grünen Funktionäre, so wenig von der eigenen Bewegung halten, scheint es schon wieder verständlich, dass Unterstützer unter Generalverdacht gestellt werden. Natürlich gibt es auch andere Grüne, wie Bernhard Krön schreibt, aber diesen muss ich auch die Frage stellen: Warum lasst ihr Euch das gefallen? Warum können ängstliche Funktionäre die Grünen derart lähmen? Fazit: Die Vorwähler sind ebenfalls dort angekommen, wo sie nie hin wollten. Mitten im versteckten Spiel um Positionen, Mandate und Lebensentwürfe, wo sehr schnell Prinzipen zu Gunsten von Macht- und Eigeninteressen über Bord geworfen werden und man anscheinend von einem Bruch des Statuts nicht zurückschreckt.
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