Politik der Paranoia

Die Beschäftigung mit Robert Misik gehört ja quasi schon zur Tradition dieses Blogs. Aus diesem Grund besuchte ich letzte Woche eine Diskussionsveranstaltung über das Buch mit Misik persönlich, Christian Ortner und Marie Ringler am Podium. Die Diskussion wurde Corinna Milborn moderiert. Die gesamte Diskussion drehte sich nur am Rande um Misiks Buch, sondern vielmehr um die Wirtschaftskrise, wobei sich Ortner und Misik erwartungsgemäß matchten. Bevor ich mich näher zu Misiks Buch äußere, muss ich an dieser Stelle Abbitte bei Marie Ringler leisten. Sie war nämlich mit Abstand die Gescheiteste und Vernünftigste am Podium. Vor langer Zeit habe ich Marie Ringler in einem Standard Posting (wo sonst?-) als Spittelbergtussi bezeichnet. Der Beitrag wurde vom der Standard-Redaktion gar nicht erst online geschalten, es tut mir aber heute trotzdem leid. Liebe Marie, bitte verzeih mir meine jugendliche Ignoranz. Eine Kritik zu einem Buch von Robert Misik zu verfassen, ist für einen Amateurblogger ganz schön riskant. Schließlich handelt es sich bei Robert Misik um einen Titanen des österreichischen Journalismus, dem ich natürlich weder journalistisch noch philosophisch auch nur ansatzweise gewachsen wäre. Es könnte also passieren, dass ich am Ende ziemlich verarscht werde, so wie Christian Moser bei seiner Rezension. Aber das wäre dann nicht das erste mal!-) Auf den ersten Blick wirkt Robert Misiks Werk  logisch. Es ist wirklich sonderbar einerseits für die volle Härte des Marktes einzutreten und sich andererseits über die zunehmende Entsolidarisierung in unserer Gesellschaft zu beschweren. Oder sich über einen vermeintlichen Werteverfall unserer Gesellschaft zu mokieren und auf der anderen Seite von Zuwanderern zu verlangen, die Werte unserer Gesellschaft, die es angeblich nicht mehr gibt, zu akzeptieren. Die Liste der Inkonsequenzen innerhalb der Konservativen Phrasen ließe sich noch länger fortsetzen. Die Frage ist nur, ob solche Inkonsequenzen quasi in dem von Misik geschaffenen Begriff des Neokonservativismus systemimmanent sind, oder nicht. Ich denke nicht. Inkonsequente Politik ist meistens das Resultat von Abhängigkeiten sprich Klientelpolitik. Klientelpolitik führt dazu, dass sich zum Beispiel die Wirtschaftskammer für die Abschottung des Fotografengewerbes und damit gegen den freien Markt einsetzt, dass sich die ÖVP für die Lehrergewerkschaft stark macht, dass die SPÖ plötzlich EU-kritisch agiert, dass die Grünen sich in Graz plötzlich Videoüberwachung vorstellen können und dass Kommunisten immer noch einen skurrilen Diktator in Kuba verehren. Klientelpolitik ist als kein Neokonservatives Novum, sondern gibt in allen Lagern und Parteien. Misik  möchte mit seinen Beispielen  verdeutlichen, dass die Konservativen, sich in Worten und Taten widersprechen und damit hat er auch recht, nur ist das eben keine Eigenschaft von Konservativen, sondern von Politikern aller Richtungen.
"Barack Obama ist ein talentierter Politiker mit lupenreinen progressiven Überzeugungen, der linksliberale Haltungen auch noch in einer Sprache zu formulieren gelernt hat, ..... Aber er allein wird die Welt nicht ändern. Auch er muss sich auf enge Mitarbeiter stützen, die vom Geist der marktradikalen Epoche infiziert und geprägt sind." (Seite 15)
Einmal abgesehen davon, dass Misik Obama anscheinend für eine unfehlbaren Messias hält, ist Obama ist also ein Linker, der nicht darf, weil er so böse marktgläubige Berater hat. Misik bemüht gerne das Klischee vom armen linken Hascherl, das sich gegen die reaktionären Marktmenschen nicht wehren kann. Wie man anschließend weiter lesen kann:
"Auch er kann scheitern, er kann den konservativen Zeitströmungen, die ihren Geist längst nicht ausgehaucht haben, erliegen - so wie das bei Bill Clinton der Fall war, bei Tony Blair, bei der rot-grünen Regierung in Deutschland."
Also mir war ja neu, dass die Herren Blair, Schröder und Fischer eine andere Agenda verfolgten als die der Stärkung der eigenen Egos. Misik subsumiert alles Gute unter dem Überbegriff links und alles schlechte verpackt er unter dem Überbegriff Neokonservativ. Oder würde ernsthaft jemand Barack Obama als linksliberal bezeichnen, ich denke nicht?  Glaubt man diese Begrifflichkeit, hat Misik natürlich recht, aber sinnvoll ist so etwas nur, wenn man selbst ein subjektives ideologisches Ziel verfolgt, wie man nicht unschwer an seinen jüngsten Eat the Rich Predigten sehen konnte. Schließlich geht es um den Begriff den Neokonservativismus. Misik führt als Beleg, warum es sich bei den Neokons um ganz üble Spießgesellen handelt, allerlei skurrile Beispiele an, die jeder von uns kennt und kein vernünftiger Mensch gut heißen würde, aber die Verbindung dieser skurrilen Persönlichkeiten und Aktionen zu quasi einer neokonservativen Internationalen ist falsch. Konservative in den USA haben mit Konservativen in Österreich ungefähr genauso viel zu tun wie die SPÖ mit der Regierung Nordkoreas. Politik der Paranioa ist ein toll zu lesendes Buch, wie immer wenn Robert Misik etwas schreibt. Man kann sich dabei amüsieren und herrlich aufregen, beides für mich wichtige Eigenschaften für ein politisches Buch. Es ist eine umfassende Abrechnung mit einer politischen Denkrichting, die es in dieser Form nur in der Vorstellung Misiks gibt, und bleibt letztlich zu undifferenziert und viele Antworten schuldig.
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