Jugend und Politik - parallele Welten?

Vor ein paar Tagen erschien ein sehr interessanter Artikel im Standard. Der Artikel beschäftigt sich mit dem Phänomen, dass die Mehrheit der Jugendlichen bei der letzten Nationalratswahl Blau oder Orange gewählt haben. So weit, so bekannt. Als "Experten" holt sich der Standard dabei ausgerechnet Luigi Schober. Schober teilt zwar seine Analyse mit einer im Vorjahr erschienen Jugendwertestudie, indem er Strache "einen Zufallsgewinner des soziokulturellen Wandels" nennt und den Großparteien unterstellt, eben diesen Wandel verpasst zu haben. Leider bleibt Schober eine Erklärung schuldig, wie sich dieser Wandel ausdrückt bzw. wie man diesen Wandel erfolgreich anspricht. Aber wahrscheinlich wären ohnedies nur die üblichen Phrasen á la alles wird immer schnelllebiger, die Globalisierung, der Relativismus und das Fehlen echter Vorbilder genannt worden. Halten wir also es fest, es gibt einen Wandel, den keiner nützen kann außer Strache und der nur zufällig. Aber Herr Schober hat trotzdem eine Lösung: Die Nutzung von "Facebook, Twitter und andere Web-2.0-Produkte". Jaja, so einfach kann es gehen. Wiedermal muss das Web als Allheilmittel herhalten. Der Stehsatz politischer Parteien nach erfolglosen Wahlen: "Wir müssen unsere politischen Botschaften nur besser kommunizieren" gewinnt dadurch eine weitere sinnlose Dimension. Kein Wort über Inhalte, es geht wiedermal nur um den Transport von mainstreamigen Botschaften. Dass aber genau das das Problem sein könnte, wird nicht in Erwägung gezogen. Unsere politischen Kommunikatoren spindoktoren so lange an politischen Inhalten herum, bis nur mehr leere Hülsen übrig bleiben. Und genau diese stromlinienförmige Floskelpolitik ala Faymann und Pröll haben vor allem die Jugendlichen satt. Vor einigen Jahren nahm ich einem Chat der Blackbox mit dem damaligen ÖGB-Chef Verzetnitsch teil. Die ganze Zeit über war Verzetnitsch bemüht, möglichst unverbindliche Antworten zu geben. Gegen Ende des Chats stellte ich ihm die Frage, ob er denn Rapid- oder Austria-Anhänger sei, um wenigstens eine eindeutige Antwort zu bekommen. Seine Antwort war sinngemäß, dass er Anhänger des Nationalteams sei. Ich habe es später weitgehend aufgegeben, an Politikerchats teilzunehmen, wenn die schon zu feig sind, sich zu einen Fußballklub zu bekennen, was kann man dann bei komplexeren Sachverhalten erwarten? HC Strache hatte leider eindeutige Inhalte, die lauteten: "Ausländer Raus". Das ist zwar nicht die Botschaft, die mich anspricht, aber bei ihm weiß man wenigstens, worum es geht. Alle anderen Parteien inklusive Grüne hatten keine erkennbare Botschaft und dann hilft auch das beste und tollste Web 2.0 Konzept nichts. Übrigens waren die Wahlgewinner BZÖ und FPÖ jene Parteien, die Web 2.0 am wenigsten nutzen. Meiner subjektiven und empirischen unfundierten Meinung nach möchten Wähler im Allgemeinen und Jungwähler im Besonderen einfach eindeutiger Botschaften ohne Herumgeduckse, Parteien die wieder für etwas stehen, ihre Meinung auch vertreten und komplexe Sachverhalte nicht scheuen, das dann auch im Web 2.0.
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