Das Hologramm vor Ort

"Wenn Sie in der heimischen Redaktion über alles schon früher und besser Bescheid wussten als ich, was war dann meine Rolle?" so beschreibt der niederländische Journalist Joris Luyendijk sein Dilemma als Auslandskorrespondent vor Ort in seinem Buch "Wie im echten Leben". Nicht jeder Journalist macht sich wohl solche Gedanken wie Luydenijk über den journalistischen Wert eines Kommentators vor Ort und nicht immer ist es sinnlos, aber wer die Übertragung der US-Wahlnacht live aus Washington gesehen hat, weiß was ich meine. Einmal abgesehen, dass uns der ORF eine Scharchnasenübertragung mit dem Tempo der Sechziger des letzten Jahrhunderts geboten hat, stellt sich schon die Frage, welchen Sinn es macht, wenn Armin Wolf am Sims eines Flachdaches in Washington genau das selbe erzählt wie seine Kollegen in Wien. Macht es seine Beiträge authentischer, wertvoller oder gehört's einfach dazu?
Einmal ganz abgesehen von den Kosten, besteht doch der einzige Wert dieses Beitrags darin, das Weiße Haus im Hintergrund zu haben, die Infos, die Ansagetexte das alles kommt ohnedies aus der Redaktion aus Wien. Wahre Meisterschaft in dieser Disziplin hat aber CNN erreicht. Für einen Geek wie mich war es schon beeindruckend, als man mit in der Wahlnacht live mit einem echten Hologramm auffuhr. [youtube]http://www.youtube.com/watch?v=thOxW19vsTg[/youtube] Einmal ganz abgesehen davon, dass die 3D-Aufzeichnung mit 35 HD-Kamers und die Live-Übetragung eine enorme technische Leistung ist, muss man erstens feststellen, dass natürlich etwas geflunkert wurde. Niemand stellte die Frage, was denn da im Studio eigentlich ankommt. Die Antwort ist: NIX. Das sogenannte Hologramm ist in Wahrheit ein am Computer gerendertes 3D-Objekt, das schlicht und ergreifend ins Bild montiert wurde. Das heißt auch der Reporter kann seinen Interview-Partner natürlich nicht sehen. Hier ein Video in dem CNN die Technik erklärt, sich aber wieder nur der Aufnahmetechnik widmet und die eigentlich interessantere Projektionstechnik aber verschweigt (da nicht vorhanden). [youtube]http://www.youtube.com/watch?v=FD2362cHM_U[/youtube] Die "much more intimate possibilty" in Interviews von der der CNN-Vizepräsident David Bohrman am Ende des Clips spricht, kann es also so nicht sein, weil der Interviewer im Studio seinen Partner gar nicht sieht. Aber einmal abgesehen von diesen technischen Details, hat sich eigentlich schon jemand darüber Gedanken gemacht, warum der so "holografierte" eigentlich dann noch vor Ort ist? Um beim Beispiel von Armin Wolf zu bleiben, konnte dieser wenigstens noch auf das im Hintergrund als Kulisse sichtbare Weiße Haus verweisen und so ein wenig vermeintliche "Vor-Ort-Kompetenz" vorweisen. Aber welchen Wert hat es im Verglich dazu wenn der Reporter in einem hermetisch abgeriegelten Zelt umringt von bis zu 40 Kameras steht und seinen Bericht abgibt? Da könnte er doch gleich im Studio bleiben.
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